Pfingst-Lahntour 2018
Kamele, korrekte Fahrkarten und eine Badewanne
Kann man überhaupt über DIE Tour schreiben, ohne Worte wie „Boot“, „rudern“ oder „Fluss“ zu verwenden? Weitgehend schon. So ließ die täglich neue Sorge um die mögliche Trinkwasserknappheit und die Frage der gerechten Verteilung dieser kostbaren Ressource doch den Eindruck entstehen, 24 Kameltreiber hätten sich mit 5 Kamelen zu einer riskanten Saharadurchquerung entschlossen. „Classic“ war dabei umkämpfter als „Still“, weil ja jeder Kameltreiber weiß, dass die Kohlensäure im Bauch einfach mehr Druck auf die Plätten, ääh, auf das Kamel bringt.
Die in jeder Oase (die Wüstenbewohner sprechen von „Schleusen“) von Herbert gereichten Datteln machten die Illusion perfekt. Ansonsten gab es natürlich wieder Müsliriegel, wobei (Merkzettel für die Tourorganisation) Erdbeer und Schoko super lief, Nuss aber eher verschmäht wurde.
Da die Teilnehmer zusammen mehr als 1000 Jahre geballte Lebenserfahrung mitbrachten, konnte es natürlich nicht ausbleiben, dass, wie auch sonst in allen Fragen der Navigation, des korrekten Anlegens und des Verhaltens in Schleusen usw. jeder seine eigene Meinung nicht nur hatte, sondern auch gerne jederzeit ungefragt äußerte.
Ansonsten waren wir in unserer Karawane wirklich super nett und entspannt miteinander. Häufig gehörte Sätze wie „immer mit der Ruhe“ oder „wir sind doch nicht auf der Flucht“ machten deutlich, dass DIE Tour nicht einfach eine x-beliebige Sportveranstaltung ist, sondern Raum bietet für Kontemplation, Besinnung, Hingabe … nun ja, das reicht jetzt aber.
Der Rest ist schnell erzählt:
24 Ruderinnen und Ruderer bewegten 5 Boote (2 x Holz, 3 x Plastik) in 3 Etappen 83km auf der Lahn flussabwärts. Unser Basiscamp war wieder Limburg, wo ein Teil im Hotel (dort, s. Foto, ein meisterlich platziertes Sofa), der andere Teil im sehr schönen Heim des örtlichen Rudervereins übernachtete. Am ersten Tag ging es von Odersbach bei Weilburg bis Limburg. Abendessen im Werner-Senger-Haus (neu, experimentell). Am zweiten Tag ging es weiter von Limburg bis Laurenburg. Dort ließen wir die Boote liegen und fuhren nicht nur mit dem Zug, sondern auch mit einem gültigen Ticket (Neuerung gegenüber 2017) nach Limburg zurück. Abendessen in der Obermühle (alt, bewährt). Am letzten Tag wieder per Bahn nach Laurenburg. Von unseren 5 Booten war eins schon weg. Damit waren Gerda, Karin, Kajo und Norbert bereits früher aufgebrochen, weil sie an diesem Tag noch weiter bis in die Gegend von Neuwied und am folgenden Tag zurück bis nach Porz rudern wollten. Das Hauptfeld ruderte ganz locker bis Bad Ems, von wo wir die Heimfahrt antraten. Mit drei leichtverletzten Booten und einer leichtverletzten Ruderin durch einen unglücklichen Sturz auf dem Steg in Bad Ems kamen wir wieder in Zündorf an.
Die sonstigen wichtigen Themen:
Wetter: Viel Sonne, ab und zu ein paar Wolken, nicht zu heiß, öfter mal ein frisches Lüftchen, kurzum: klasse Ruderwetter. Wenn da nicht die total verregnete kurze Pause zwischen Anlegen in Laurenburg und Besteigen des Zugs nach Limburg am zweiten Abend gewesen wäre. Das war wirklich ganz mies organisiert und zwingt natürlich zum Punktabzug für die Tourleitung. Wir mussten unter ein Partyzelt mit angeschlossenem Kiosk flüchten. Die dort von der Tourleitung besonders empfohlenen Nussecken nahmen die meisten in schäumend-flüssigem Aggregatzustand aus braunen Flaschen zu sich. Dann war die Stimmung sofort wieder wie gewohnt locker und harmonisch.
Schwimmen und Badenin der Lahn war in diesem Jahr kaum angesagt, dafür aber im Käptn Böff, der täglich die berühmte Handbreit Wasser nicht nur unter dem Kiel, sondern auch im Boot hatte. Bereits am ersten Tag griff zunehmend Angst, Panik und Hoffnungslosigkeit in der fast ertrinkenden Mannschaft des Boots um sich. Nur so ist es letztlich zu erklären, dass die Mannschaft in einer Verzweiflungstat mit vereinten Kräften unter Ausnutzung einer berüchtigten Querströmung hinter der Oase Runkel das Boot in eine krachende Kollision mit den am Ufer liegenden Felsbrocken trieb. Ob die Mannschaft dies nach dem Motto „lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ tat oder tatsächlich meinte, dass man so das Boot vielleicht per Schock-Stauchung doch noch abdichten könnte, konnte nie endgültig geklärt werden. Dem Käptn Böff war das sowieso egal, er leckte nach dieser Tat einfach weiter, als wenn nichts gewesen wäre. Ist halt ein stabiles Boot und alle Fans der alten Holzboote waren ganz gerührt, dass der alte Käptn nur ein paar kleine Schrammen abgekriegt hatte.
Bildung: Als Thema stand dieses Jahr „Fremde Völker – fremde Sitten“ unter besonderer Berücksichtigung der Namensgebung auf dem Programm. Unter wissenschaftlicher Begleitung durch Kölsch, Ramazotti und Werners Kaffeelikör ging es Sonntagabend im Ruderclubhaus quer durch die Kulturen von China bis Skandinavien. Dort heißen die Söhne ja mit Nachnamen immer wie die Väter mit Vornamen und dann „son“ drangehängt. Ja, Heinrich hatte Recht: Es gibt einen schwedischen Literaturnobelpreisträger namens Harry Martinson. Weiß Wikipedia. Martin sagte, das wäre sein Jüngster. Harry Martinson wurde 1904 geboren. Hat Martin gelogen? Wir wissen es nicht.
Medaillen: Gold geht dieses Jahr ganz klar an Moni und ihren Mann Werner, die ihr Wohnmobil zur perfekten Cateringstation gemacht haben. Das meint auf jeden Fall die informelle Jury, bestehend aus den 7 im Haus des Limburger Rudervereins nächtigenden Ruderinnen und Ruderern. Zweimal ein perfektes Frühstück, serviert auf dem Sonnenbalkon des Clubhauses, das war einfach großartig. Und für das stets gekühlte Bier zu ganz entscheidenden Momenten gibt es Silber und Bronze von der ganzen Mannschaft noch obendrauf.
Grenzerfahrungen:a) Im Boot: Gerda hat bewiesen, dass man einen ganzen Tag mit 4 Lehrerinnen und Lehrern in einem Boot tatsächlich überlebt. b) Vor der Schleuse: Wer das großformatige Halte-Schild bei geschlossener Schleuse ignoriert, kann dann manchmal nur durch eifriges Rückwärtsrudern den Schleusenwärter besänftigen und zur Fortsetzung seiner Arbeit bewegen. c) In der Schleuse: Der Kalkofener Wächter unterhielt uns damit: „Kommt n Ruderboot in die Schleuse. Ich sach dem Mann ‚Passe Se uff, dass Se nich mit die Dolle an der Wand hängebleibe‘. Antwortet der: ‚Ich bin ein erfahrener Ruderer!‘ Un was soll ich sache: Fünf Minute später hängter schrääch!“ (Was uns natürlich nicht passieren könnte).
Offen gebliebene Frage, aufgeworfen im Schatten des Limburger Doms, der hoch über uns auf dem Felsen thronte: Was ist eigentlich aus der goldenen Badewanne des Tebartz van Elst geworden?
Und wie immer: Nach der Lahntour ist vor der Lahntour
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Text: Martin Kellermann, Heinrich Wirtz