186 km von Melnik bis Meissen – Die Sommertour auf der Elbe
Wohl dem der Tschechisch kann! Gleich am ersten Tag der Elbetour mussten sich die Ruderer mit den Tücken der fremden Sprache herumschlagen, doch der Reihe nach: Mit zwei Kleinbussen und vier Booten – inklusive des schweren Neptuns für Dieter – ging es ohne Zwischenfälle nach Litomerice (Leitmeritz), unserem Quartier für drei Nächte. Recht kurvig wurde es durch die Kleinstädtchen abseits der Hauptstrecke und wer im Bus hinter (Kamikaze-) Norbert fuhr, dem konnte schon mal etwas schwindelig beim Zugucken werden, mit welchem Tempo Norbert samt Bootsanhänger die engsten Straßen und Kurven nahm.
Das Hotel Deljmalik, von der Einrichtung her eine Mischung aus vermeintlich altmodischem Chic und neu renoviert, lag zentral. Ringsherum einfache Gemischtwarenläden mit einem Charme der 70er Jahre, die auch ohne Neonreklame auskamen, sehr angenehm. Gerne nahmen wir den Tipp des Hotelbesitzers an, ein Lokal gleich um die Ecke für den Abend zu reservieren, wo nur Einheimische verkehrten. Die Zeit bis dahin nutzten wir für einen Stadtrundgang, denn Sonntag war noch ruder-frei. Herbert erzählte auf dem Marktplatz von der herrlichen Lage im Böhmischen Mittelgebirge und den gotischen, barocken und Renaissancebauten, die trotz der Kriege rund um den Marktplatz erhalten geblieben waren. Bis zu drei Stockwerke tiefe Keller seien von unterirdischen Gängen durchzogen. Damit kennen wir uns ja aus, haben es dann leider in den drei Tagen aber nicht geschafft, da mal einen Blick reinzuwerfen. – Das nächste Mal!
Tschechische Piroggen mit Frittenfüllung
Am Abend ging es dann in besagtes Lokal, eine Art Brauhaus im Jugendstil. Die Speisekarte gab es – warum auch nicht – nur auf Tschechisch. Englisch sprach man überall kaum, deutsch vielleicht schon aus Prinzip nicht. Aber wozu gibt es Google und diverse andere Übersetzungsprogramme? Goulasch, Braten, Klöße, die wichtigsten Speisen waren relativ bald ausgemacht. Nur ein Posten – bei dem Grazyna dank ihrer Polnischkenntnisse beiseite stand – bliebt etwas schwammig. Piroggen sollten es sein, so ließ die Überschrift vermuten. Piroggen, also Teigtaschen, mit Kartoffeln gefüllt oder wahlweise mit Reis oder mit Fritten. Letzteres machte vielleicht stutzig, aber auch neugierig auf diese wundersame Füllung.
Groß war das Erstaunen derer die vermeintlich Piroggen bestellt hatten und noch größer das Gelächter der anderen, als die Kellnerin – ohne eine Miene zu verziehen – jeweils einen Teller mit Salzkartoffeln oder Kartoffelbrei servierte. Ein Petersilienzweig als Krönung obendrauf. Das Piroggen-ähnliche Wort hieß in Wahrheit „Beilagen“. Gerda trug es mit Fassung. Mit einem Streifen cross-gebratenem Speck und anderen milden Gaben diverser Teller, sei diese leichte Speise doch eigentlich genau das richtige gewesen für einen Tag, an dem man eh nicht gerudert sei. Wir haben dann übrigens auch am zweiten Tag noch dort gegessen, denn lecker war es ja. Dass Kartoffel auf tschechisch „Brambory“ heißt, werden wir wohl nie vergessen!
Jetzt geht’s los
Gestartet sind wir mit der Tour 44 Kilometer südlich von Leitmeritz in Melnik, dort wo die Moldau in die Labe (Elbe) mündet. Mit Bussen und Hänger dorthin zu kommen, kein Problem. Ab da griff dann Norberts und Kajos ausgeklügeltes Fahr-System: Mit zwei Bussen zum vorgesehenen Ankunftsort Raudnice (26,8 Kilometer). Einen Bus dort lassen, dann mit dem anderen zu zweit zurück, um mit uns in den Booten zu starten. In Raudnice dann wieder mit dem Bus zurück nach Melnik, den anderen Bus holen, damit alle zusammen dann von Raudnice nach Leitmeritz gebracht werden konnten. An diesem Tag hat das geklappt.
Die Gegend um die Moldaumündung geprägt von wilder Natur und Schloss Moldau hoch über den Felsen. Ein Stück sind wir die Moldau noch hochgerudert nach dem Motto: Neue Gewässer erkunden. Leider klafften in der wunderschönen Landschaft mit alten Häusern in Ufernähe immer mal wieder Lücken für große Industrieanlagen und Containerhäfen. Zwei Schleusen auf der Stecke mit Schleusenwärter ließen uns so unkompliziert durchkommen wie selten. Unser Mittagsstopp mit Picknick fand bei einem hoch-modernen Ruderclub mit nagelneuen Rennbooten statt. Überhaupt schienen die Sportclubs gut ausgestattet. Überall auch Werbung für Rennradausrüstung, denn der Elberadweg ist nicht nur bei Touristen aus dem Ausland beliebt.
Unterbesetzt gegen den Wind
Am dritten Tag, dem zweiten Rudertag waren 41 Kilometer von Rudnice nach Usti vorgesehen. Das System Norbert/Kajo wurde überdacht, denn mit den Kleinbussen jeweils zweimal (oder sogar mehr?) 41 Kilometer zu fahren, um den einen Bus an den Zielort zu bringen, den anderen dann wieder am Ausgangsort abzuholen, kostete zu viel Zeit. Der Plan: Zwei fahren zwei Busse zum Zielort und kommen dann mit dem Zug zum Mittagshalt in Leitmeritz zurück, um dort in die Boote zuzusteigen, die die erste Etappe unterbesetzt rudern sollten. Soweit der Plan. Karl, der etwas angeschlagen war und ich sollten das erledigen. Das große Damoklessschwert, das über uns schwebte: Bloß nicht auf die Autobahn kommen, denn da würden Mautgebühren fällig – die wir nicht bezahlt hatten – oder Geldbußen bis zu 300 Euro.
Nun tendieren Navigationsgeräte für die schnellste Verbindung dazu, über die Autobahn zu führen. So auch in diesem Fall. Die abgemähten Kornfelder soweit das Auge reichte boten einen wunderschönen Anblick in der Sonne, halfen aber nicht gerade, den richtigen Weg zu finden. Am Ende haben wir uns mit Google-Maps von Dorf zu Dorf gehangelt, von Leitmeritz bis Usti steile kurvige Straßen durch die Berge genommen, obwohl es – hinterher ist man klüger – um den Berg herum vielleicht nicht kürzer, aber doch wesentlich schneller gewesen wäre. Das Ende vom Lied: Wir waren zu spät, der Zug war weg und Karl ging es nicht besser.
Wir blieben in Usti, einer der trostlosesten und hässlichsten Städte, die wir uns in Tschechien vorstellen konnten. Der II Weltkrieg hatte dort sehr viel zerstört. Die anderen mussten unterbesetzt weiter rudern, und das bei starkem Gegenwind. Da rudert man gerne unter Land, zum Leidwesen der vielen Angler. Einige Angelschnüre wurden unter tschechischen Schimpfworten gekappt. Und Karin G. auf Schlag im Neptun musste ein Machtwort sprechen, weil das Boot wohl nicht so recht nach ihrem Schlag laufen wollte, oder war‘s die Mannschaft? Entsprechend gereizt war die Stimmung leider am Abend und das, obwohl wir in einem schönen rustikalen Lokal mit alten Mauern saßen – und sogar mit deutscher Speisekarte.
Staunen am Fuße des Elbsandsteingebirges
Entspannter dann der vierte Tag (dritter Rudertag). Der Wind hatte nachgelassen, Kothes waren über Nacht um ein Enkelkind reicher geworden und auch die berühmte Burg „Schreckenstein“ in Usti konnte die Laune nicht trüben. Lang erwartet wurde die deutsch-tschechische Grenze, begleitet im Neptun von vielen Dieter-Anekdoten. Die nächsten zwei Nächte sollten wir in Pirna verbringen. Rudern wollten wir 43 Kilometer bis Schmilka. Mittagspause noch in Decin. Hier stiegen Norbert und Grazyna zu, die nicht nur die Busse nach Pirna gefahren hatten, sondern auch so rechtzeitig zum Zug gesprintet waren.
Die Grenze zog sich dann über drei Kilometer, auf der einen Flussseite noch Tschechien auf der anderen schon Deutschland. Dieter erzählte von einem Halt am Grenzstein mit Foto vor den Fahnen, wie sie früher da standen und und und. Möglich wäre es gewesen, aber von den Herren im Boot gar nicht intendiert – zum Leidwesen der Fotografin. Leider sind wir nur dran vorbeigefahren. Dafür bot sich uns der beeindruckende Blick auf die Ausläufer des Elbsandsteingebirges die vor Schmilka immer stärker das Landschaftsbild prägten. Spätestens seit diesem Streckenabschnitt wissen auch alle, was eine „Gierseilfähre“ ist und wie gefährlich diese an Drahtseilen am Ufer befestigte Konstruktion für Ruderboote sein kann, wenn man auf der falschen Seite fährt. Zum Glück ist nichts passiert, aber die Gefahr war da.
Als wir dann in Schmilka, am „Tor ins Elbsandsteingebirge“ ankamen, wurden wir bereits auf der anderen Seite am Anleger Bad Schandau sehnsüchtig erwartet von Wanderen, die hofften, mit unserer Hilfe und unseren Booten ans andere Ufer zu kommen. Die Fähre war nämlich defekt. Doch abgeschreckt von den hohen Preisvorstellung – von um die 100 Euro, die pro Person (scherzhaft) im Raum standen – sind die Wanderer wohl doch lieber mit dem Bus gefahren.
Da wir die Fähre auch nutzen wollten am nächsten Morgen und nicht wussten, ob sie bis dahin funktioniert, fuhren zwei in bewährtem Bus-System zwei Boote rüber und kamen mit einem wieder zurück, das andere blieb zur Sicherheit am anderen Ufer, sollte die Fähre nicht funktionieren. Am nächsten Morgen gab es dann aber eine Ersatzfähre. Im Hotel Pirna mit herrlichem Elbblick konnten wir auch zu Abend essen und die Deutsche Speisekarte bereitete keine weiteren Probleme.
Auf Fototour mit Schiebewind und Sonne
Mit Schiebewind, Sonne und sogar mit ein wenig Strömung ging es am nächsten Tag 30 Kilometer auf der Elbe von Schmilka nach Pirna. An diesem Tag eine reine Fototour. Die sächsische Schweiz mit dem Elbsandsteingebirge, die berühmte Bastei aus der Froschperspektive. Quitschvergnügt zog das Frauenboot – von Gerda gesteuert – an den anderen vorbei. Die Überholmannöver kommentierte Sportreporterin Gerda mit scharfer Zunge. Zum Glück haben wir anderen nicht alles verstanden.
Zur Mittagspause kamen wir in ein richtig schönes Hof-Café mit Eseln, Ziegen und Gänsen und leckeren frischen Säften, warmen Speisen und Kuchen.Ein Steinwurf entfernt von der Festung Königstein, die hoch auf einem Felsen thront und die man vom Gelände des Cafés aus sehen konnte.
Nur das An- und Ablegen an einem Fähranleger gestaltete sich etwas schwierig. Die Steine in der Elbe waren glitschig und eine Elbtaufe musste ja sein. Herbert hat es getroffen samt Sitzkissen. Zum Glück schien ja die Sonne. Noch schwieriger war es in Pirna die Boote an Land zu holen. Das Gelände war sehr steil und der Neptun sehr schwer. Trotzdem haben wir uns noch kurz – genauer gesagt eine halbe Stunde – mit letzten Kräften Pirna angesehen. So Macher ist dabei gerade mal bis zum Marktplatz gekommen. Karl hat die ganze Etappe und auch die folgenden nicht mitfahren können. Leider krank.
Dresden, die Perle an der sächsischen Schweiz
Da am 6. Tag nur 27,5 Kilometer auf dem Plan standen, ging es lässig Richtung Dresden, vorbei an Schloss Prillnitz und den Villen, den Herrenhäusern und den Schlössern der Herzöge vor den Toren Dresdens. Herbert machte ab und an den Test mit den Skulls, ob noch genug Wasser unter dem Kiel sei, aber es war alles in Ordnung, wir mussten nicht schieben. Ansonsten war die Schifffahrt wegen Niedrigwasser eingestellt und nur ein paar Schaufelraddampfer mit Touristen gesellten sich in der Nähe von Dresden zu uns. Leider war das Wetter ausgerechnet in Dresden trüb und regnerisch.
Durch Dresden konnten wir uns treiben lassen, der Regen setzte gerade rechtzeitig aus. Selten konnten wir so gemütlich und ruhig rudern. Kein Wind, keine Wellen, kein Schiffsverkehr. Beeindruckend die Fahrt durch Dresden, vorbei an der Frauenkirche, der Altstadt und der Semperoper. Die vielen Touristenschiffen lagen fest und warteten auf einen höheren Pegel. Am Nachmittag blieb noch Zeit, Dresden zu besichtigen. Essen gab‘s dann abends im legendären alten „Pulverturm“, samt Besuch von Sachsens „Herzog“, der es mit seinem Esprit und anzüglichen Scherzen besonders auf Dieter abgesehen hatte. Sogar in Köln und mit dem Rudersport kannte sich der verkleidete Schauspieler aus.
Sonnenbaden auf dem Weg nach Meißen
Auch die Fahrt von Dresden nach Meißen am vorletzten Tag war kurzweilig, Sonnenbaden inklusive. Die Landschaft wurde wieder flacher. Noch ein erstes und letztes Gruppenfoto bei der Ankunft am Meißener Ruderclub. Für die Stadttour in Meißen hatte sich Sylvia vorbereitet und von der Burg und der Porzellanstadt erzählt. Oben auf der Burg war dann allerdings alle Mühe vergebens. Die Glocken läuteten so laut, dass kein Wort mehr zu verstehen war. Also Abstieg zum Abendessen auf dem Marktplatz bis in die Nacht hinein. Die Boote lagen abgeriggert auf dem Hänger. Zum Gück, denn in der Nacht brach ein kräftiges Gewitter los.
Die Rückfahrt war unspektakulär. Kurze Pinkel-Pausen, mal Stau, die üblichen Reste im Auto verzehren, den Fahrer bei Laune halten und zwischendurch ein kleines Nickerchen. Buisiness as usual. 187 Kilometer waren wir gerudert und alle waren sich einig, dass die Elbe landschaftlich gesehen eine der schönsten Ruderstrecken ist. Weitere Elbeabschnitte sind schon geplant, zumindest in den Köpfen.
Auf unserer CfWP-Map kann man sich die Tour auf der Landkarte anschauen. Bitte hier klicken
Die Fotos gibt es auch in groß in der Galerie: Bitte hier klicken
Text: Gaby